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Political Correctness – laut Duden eine „Einstellung, die alle Ausdrucksweisen und Handlungen ablehnt, durch die jemand aufgrund seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht, seiner körperlichen oder geistigen Behinderung oder sexuellen Neigung diskriminiert wird.“ Weitergedacht, ermutigt ein derartiger Sprachgebrauch sogar bisher diskriminierte Individuen dazu, am gesellschaftlichen Diskurs teilzuhaben und ihre Meinung zu äußern. Jedoch nicht für Ingo von Münch. Seiner Meinung nach zerstört sie die Meinungsfreiheit und ist darüber hinaus gefährlich für eine freiheitliche, pluralistische und demokratische Gesellschaft. Anhand verschiedener Handlungen aus der Politik, Kunst und den Medien versucht er dies zu bestätigen.

Für von Münch ist die Political Correctness der Grund dafür, dass einige Medienanstalten und Presseverlage die Herkunft von Tätern verschweigen. Zwar sei das im Pressekodex in Richtlinie 12.1 so festgelegt – konkret müssen derartige Hintergrundinformationen nicht genannt werden, sobald sie keinen Verständnisgewinn zum Sachverhalt darstellen – allerdings werde dies in der Praxis nicht einheitlich umgesetzt. Sein Beispiel: Die Berichterstattung der Silvesternacht 2015 in Köln. Eine Nacht, in der etlichen Frauen sexuelle Gewalt erfahren haben. Auch wenn die Sachlage eindeutig darauf hinwies, dass es sich bei den Tätern um Menschen nordafrikanischer und arabischer Herkunftsländer handelte, wurde dies in den Medien nicht benannt. Ingo von Münch kritisiert dies und einzelne Akteure aus der Politik die Straftaten verharmlosten, indem sie auf ähnliche Verhältnisse an Karneval und auf dem Oktoberfest verwiesen. Laut von Münch führt dies zu einem Vertrauensverlust gegenüber Medien und Politik. Sein Lösungsvorschlag ist, den Pressekodex 12.1 abzuschaffen und künftig, nach Vorbild der Sächsischen Zeitung und im Sinne der Informationsfreiheit, die Herkunft grundsätzlich zu benennen, egal ob Deutsche:r oder Ausländer:in (54). Bei diesem Satz scheint er sich allerdings nicht über die Folgen bewusst zu sein.

Michel Abdollahi bezieht sich in seinem Buch „Deutschland schafft mich“ ebenfalls die Berichterstattung der Kölner Silvesternacht 2015. Jedoch beschreibt er, der selbst mit fünf Jahren nach Deutschland migrierte, das Problem, wenn Herkunftsländer genannt werden. Begehen gebürtige Deutsche eine Straftat, begehen sie diese als einzelne:r Deutsche:r – es sind Einzelfälle. Begehen Geflüchtete eine Straftat, begehen sie diese stellvertretend für das jeweilige Herkunftsland, die Ethnie oder Religion. Daraus entstehen allenfalls Stereotype, aber kein differenziertes Bild über ein bestimmtes soziales System.

Insgesamt führe die Political Correctness zu einem Sprach- und zusätzlich zu einem Denkverbot. So wurden Werbeslogans wie „Deutschland wählt weiß – weiße Ferrero Küsschen für immer“ oder „White is purity“ direkt als rassistisch deklariert, Begriffe mit „Schwarz“ als Wortteil ebenfalls. Ebenfalls werden Kunstwerke, wie bei Aktfotos im Köpenicker Rathaus geschehen, entfernt, wenn sie potenziell verletzend wirken. Das gefährdet wiederum die Kunstfreiheit.
Wenn politisch korrekte Sprache die Meinungs-, Informations-, Kunst und Pressefreiheit einschränkt, dann entwickelt sich eine Debattenkultur zu einer Debattenunkultur. Debatten würden durch Beleidigungen, Beschimpfungen und Drohungen zunehmend verrohen oder durch Faschismus-, Rassismus- und Nazikeulen frühzeitig beendet. Denselben Zweck sieht er in Populismus- oder Hetz-Vorwürfen. Es wirkt unvollständig, da er in diesem Kontext die „Sozialismus-Keule“ oder auch die „linksgrünversifft-Keule“ vergisst. Insgesamt beschwert er sich offenkundig nur über „Keulen“ und Begriffe, die gegen rechtsgesinnte Menschen verwendet werden. Objektiv wirkt dies jedenfalls nicht, zeigt aber, dass jede:r eine eigene Meinung äußern und in einem Buch niederschreiben kann – unabhängig, ob ausgewogen oder voreingenommen.

Das müsste auch Ingo von Münch letztlich begrüßen. Denn das, wonach er letztlich strebt, ist eine offene pluralistische Gesellschaft mit einer entsprechenden Debattenkultur, in der Minderheitsmeinungen nicht unterdrückt, sondern konträre Meinungen diskutiert werden sollten (vgl. 89). Eine derzeit beobachtbare Debattenkultur, in der Empörungswellen übereinander prasseln und die größte Empörung zu gewinnen scheint, wird der Spalt in der Gesellschaft nur noch größer. Besonders dann, wenn die Empörung in Hass umschlägt, sei der demokratische Rechtsstaat und Sozialstaat gefährdet (vgl. 98). Allerdings scheint dies für ihn nur dann beobachtbar und empörend zu sein, sobald sein augenscheinlich konservatives Verständnis eines solchen Staates bedroht ist.

So ist auch er von seinem Rat nicht befreit. Der Rat „sich bewusst zu sein, wie wichtig Meinungsfreiheit für jeden Einzelnen und für die Gemeinschaft ist.“ (135). Denn in Political Correctness ein Gegenstück zur Meinungsfreiheit zu erkennen, ist am Ende eine voreilige und zusammenhangslose Schlussfolgerung, die jegliche Wissenschaftlichkeit vermissen lässt. Gleichermaßen belegbar wäre die These, dass Political Correctness die Meinungsfreiheit erhöht. Schließlich wird das Bewusstsein für Minderheiten verschärft und letztlich werden diese in die gesellschaftlichen Diskurse integriert. Dass Political Correctness dennoch kein Allerheilmittel ist, zeigen Autoren wie Philipp Hübl und Robert Pfaller in einer weitaus differenzierteren Auseinandersetzung desselben Themas.

Kontext: Dies ist eine Buchrezension, die Teil meines Studiums ist und aus dem letzten Jahr stammt. Abgegeben wurde sie am 16.11.2021. Lediglich die Bilder sind nachträglich eingefügt worden.